Per ETF in die Reisebranche investieren – auf die inneren Werte kommt es an!

18 Mai
2020

Die Corona Pandemie hat gerade die Reisebranche weltweit in eine nie dagewesene Krise gestürzt. Jahrelang war dies ein großer Wachstumsmarkt. Durch die massiven Reisebeschränkungen mussten quasi von einem Tag auf den anderen alle Flüge und Hotelbuchungen storniert werden. Und es herrscht große Unsicherheit darüber, ob, wann und wie man zur gewohnten Normalität zurückfindet.

Nicht zuletzt diese Ungewissheit hat die Aktien der Reisebranche auf Talfahrt geschickt. Preisabschläge zwischen 40% und 70% verdeutlichen die Ausnahmesituation. Zahlreiche Unternehmen sind ohne staatliche Eingriffe nicht überlebensfähig. Große Krisen stehen an der Börse aber oftmals auch für große Chancen. Man spricht hier gerne von „Turnaround-Kandidaten“ oder „gefallenen Engeln“.

Als mittel- und langfristiger Investor habe ich mich dazu entschlossen, auf dem Reisemarkt nach interessanten Einstiegschancen Ausschau zu halten. Zur Verringerung des Einzelwertrisikos habe ich als erstes nach Branchen-ETFs gesucht. Leider findet man hier nur einen investierbaren Index – den „STOXX Europe 600 Travel & Leisure“. Die bekannten ETF-Anbieter iShares, Invesco, Lyxor und ComStage haben alle Produkte auf diesen Index im Angebot. Auf justETF finden Sie eine Übersicht:


Quelle: https://www.justetf.com/de/find-etf.html?query=travel

Wie Sie der Tabelle entnehmen können, bewegen sich die jährlichen Verwaltungskosten (TER in % p. a.) im Bereich zwischen 0,25 und 0,46% – für Branchen-ETFs ist das alles in einem vernünftigen Rahmen.

Etwas problematischer sind die Fondsgrößen in Mio. € – 5 bis 15 sind hier relativ niedrig und machen es den Anbietern schwer, langfristig kostendeckend zu arbeiten. Es gibt also keine Garantie, dass diese Produkte wirklich langfristig auf dem Markt bleiben. Eine Tatsache, die mich aber nicht zwingend von einer Investition abhält.

Nachdem die „Äußerlichkeiten“ abgehakt sind, komme ich zur Analyse des wichtigeren Teils – die „inneren Werte“. Wie nämlich setzen sich die ETFs zusammen? Dazu hier eine Übersicht der Top 10 Holdings:


Quelle: https://de.extraetf.com/theme/travel-leisure

Die Top 10 Aktienpositionen machen 86,52% des Index bzw. der ETFs aus. Der Wert mag manche überraschen, ist aber für Branchen-ETFs nicht ungewöhnlich. Damit könnte ich leben. Etwas ungünstiger ist für mich die Konzentration auf die Top 3 Unternehmen – diese stehen für 50,55% des Index. Wer also primär zum ETF greift, um durch die breitere Streuung sein Einzelwertrisiko zu minimieren, sollte hier genau prüfen, ob seine Erwartungen mit dem gewählten Produkt auch erfüllt werden (können?).

Die eher schlechte Diversifikation sehe ich persönlich schon etwas problematisch, aber es war in meiner Analyse noch kein Ausschlusskriterium. Im nächsten Schritt schaute ich mir die 3 Top Aktienpositionen etwas genauer an:


Compass Group PLC

Ich habe den Namen bereits einmal gehört und wusste, dass es ein großer englischer Anbieter in der System- bzw. Betriebsgastronomie ist. Der Börsenwert in Höhe von 18,16 Mrd. GBP hat mich dann doch etwas überrascht. Die Bewertung mit einem KGV von 16,14 ist nicht super günstig, aber moderat. Vom Top bei 21,50 GBP ging die Aktie bis auf 8,72 GBP massiv in den Stinkflug. Die Rahmenbedingungen für einen Turnaround-Kandidaten wären also bestens gegeben. Würde ich aber in diese Einzelaktie investieren? Eher nicht. Der Gewinn je Aktie ist bereits seit 2017 rückläufig. Die Performance in den letzten 10 Jahren lag mit 6,61% deutlich unter der der großen Aktienindizes. Die Dividende 2019 wurde auf Null gesetzt. Ich halte die geplante Dividende für das nächste Jahr deshalb für alles andere als sicher.


Quelle: https://aktie.traderfox.com/visualizations/GB00BD6K4575/GPI/compass-group-ls-1105


Flutter Entertainment PLC

Ich kenne viele Aktien, aber von dieser hatte ich zuvor noch nie gehört. Wikipedia schreibt hierzu:

„Flutter Entertainment ist ein börsennotierter Glücksspielkonzern, der 2016 durch die Fusion des irischen Unternehmens Paddy Power mit Betfair aus dem Vereinigten Königreich entstand. Das fusionierte Unternehmen Paddy Power Betfair wurde 2019 zu Flutter Entertainment plc umfirmiert. Die Flutter Entertainment-Gruppe bietet Sportwetten an und erzielt 80 % ihres Umsatzes im Vereinigten Königreich, in Irland und in Australien.“

Ja, Sportwetten gehören zum Bereich „Freizeit“. Es entspricht jedoch absolut nicht meiner Erwartung, dass ein Wettanbieter die zweitgrößte Position im Index „STOXX Europe 600 Travel & Leisure“ darstellt.

Die Umsätze steigen, die Gewinne sinken. Die Planungen für die nächsten Jahre sind ebenso ambitioniert, wie das 2019er KGV von 56,23. Für mich kein Investment.


Quelle: https://aktie.traderfox.com/visualizations/IE00BWT6H894/GPI/paddy-power-betfair-plc


InterContinental Hotels Group

Zur britischen Hotelgruppe gehört u. a. die Marke Holiday Inn. Es werden in über 100 Ländern rund 5.000 Hotels betrieben – teils in Eigenregie, teils im Franchisesystem. Hier fasse ich mich kürzer: Würde ich die Aktie kaufen? Nein!

Das Eigenkapital ist negativ, die Fremdkapitalquote liegt bei 136,85%, das Gewinnwachstum je Aktie lag in den letzten 5 Jahren bei lediglich 0,15%. Die Aussichten für die nächsten Jahre waren durchwachsen und werden durch die Corona Krise noch einmal deutlich getrübt.


Quelle: https://aktie.traderfox.com/visualizations/GB00BHJYC057/GPI/intercontinental-hotels-group-plc

Mein Fazit:
Glaube ich an einen mittelfristigen Turnaround in der Reisebranche? Ja, das tue ich.
Werde ich dazu auf einen ETF auf den „STOXX Europe 600 Travel & Leisure“ Index setzen? Nein.

Ich habe meine Recherche hier im Blog zusammengefasst, da ich selbst überrascht war, wie weit meine Erwartung zu einem Aktienkorb für die Reisebranche mit der Realität des Index auseinander ging. Die Marktkapitalisierung manch interessanter „gefallener Engel“ ist einfach zu gering, um auf einen relevanten Anteil in der Indexzusammensetzung zu kommen. Spontan denke ich hier z. B. an eine SIXT AG oder Fraport AG – beide Aktien habe ich als Einzelwerte bereits in meinem Depot. Auch Europas größte Airline, die Lufthansa, schafft es zu keiner relevanten Gewichtung.

Ich habe leider ergebnislos nach einem globalen ETF für die Reisebranche gesucht. Booking.com, Tripadvisor, Hilton Holdings, usw. usw. – es gäbe so viele interessante Unternehmen im großen Reisesektor. Wir können nur hoffen, dass die Reisebranche so bald als möglich unter den bekannten ETF-Anbietern mehr Beachtung findet und ein global diversifiziertes Produkt auf den Markt kommt. Ich werde ggf. gerne berichten.

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